Flüssigkeits-assoziierte Hautschäden (FAH), Teil 1: Klassifikation und klinische Befunde
Durch den Dachverband deutschsprachiger Wundbehandlungs-Fachgesellschaften (WundDACH), wurden Einteilungen und Empfehlungen für den klinischen Alltag für eine Gruppe von Krankheitsbildern erstellt, die international als „Moisture-Associated Skin Damage (MASD)“ und jetzt im deutschsprachigen Raum als „Flüssigkeits-assoziierte Hautschäden (FAH)“ bezeichnet werden. Wie FAH entstehen und in welche Krankheitsbilder sie eingeteilt werden, erfahren Sie in diesem Fachbeitrag.
Teil 2 der Artikelserie beschäftigt sich mit der Diagnostik und Therapie von FAH.
Risikofaktoren für FAH
Die FAH entstehen durch längeren Kontakt zu Körperflüssigkeiten. Meist ist dies allerdings nicht die alleinige Ursache, sondern es kommen weitere direkte und indirekte, individuell teils sehr unterschiedliche Faktoren hinzu.
Risikofaktoren für das Auftreten einer FAH:
- Abnahme von Sinnesfunktionen, z.B. Blindheit, Polyneuropathie, Demenz
- Adipositas (Fettleibigkeit)
- Atopische Diathese (Neigung zur Neurodermitis)
- Durchblutungsstörungen
- Hohes Lebensalter
- Immobilität
- Immunsuppression
- Malnutrition (Fehlernährung)
- Pflegebedürftigkeit
- Xerosis cutis (sehr trockene Haut)
Okklusion durch Materialien der Wund- oder Inkontinenzversorgung, langes Sitzen oder Liegen auf nicht-atmungsaktiven Materialien ebenso wie starkes Schwitzen führen zu einer Erhöhung der Feuchtigkeit und Temperatur der Hautoberfläche und verändern so das Mikroklima der Haut. Durch die vermehrte Hydratation kommt es zum Aufquellen der oberen Hautschichten mit Reduktion der Barrierefunktion.
Bei Kontakt der Haut mit Urin wird Harnstoff zu Ammoniak und Kohlenstoffdioxid gespalten; in der Folge steigt der pH-Wert an der Hautoberfläche an. Der Zusammenhalt der Haut wird dann geschwächt und die Vermehrung von Mikroorganismen begünstigt. Durch den Kontakt von Stuhl mit der Haut kommt es zudem zu einer hohen Last an Bakterien und Pilzen. Bei vorgeschädigter Hautbarriere resultieren gehäuft bakterielle und/oder mykotische Superinfektionen. Auch die Erhöhung der Hauttemperatur fördert die Infektionsneigung.
Klassifikation der FAH
In der Gruppen der FAH werden verschiedene Krankheitsbilder der Haut zusammengefasst:
- Inkontinenz-assoziierte Dermatitis
- Intertriginöse Dermatitis, inklusive Intertrigo und gramnegativer Fußinfekt
- Toxische Kontaktdermatitis, inkl. Wundumgebungsdermatitis und peristomale Dermatitis
Eine weitere Einteilung der FAH kann in entsprechende Kategorien erfolgen.
Klinische Befunde
Toxische Kontaktekzeme
Toxische Kontaktekzeme entstehen durch den Kontakt der Haut zu potentiell toxischen Stoffen; hier sind insbesondere Urin, Stuhl, Schweiß oder Wundexsudat relevant. In den Hautarealen, die direkt mit der Flüssigkeit in Kontakt kommen, entstehen scharf begrenzte Ekzeme.
Ekzeme sind nicht-infektiöse Entzündungsreaktionen, die primär die Epidermis (Oberhaut) betreffen und durch viele verschiedene exogene oder endogene Faktoren bedingt sein können. Ein differenzialdiagnostisch abzugrenzendes Stauungsekzem entsteht bei Patienten mit Ödemen insbesondere an den Unterschenkeln. Es sollten auch immer allergische Kontaktekzeme differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Allergische Kontaktekzeme sind typischerweise unscharf begrenzt und zeigen nach Allergenexposition eine Ausbreitung der Ekzeme in Areale ohne direkten Allergenkontakt (Streuphänomen).
Inkontinenz-assoziierte Dermatitis
Als Inkontinenz-assoziierte Dermatitis (IAD) bezeichnet man eine Entzündung der Haut durch Urin und/oder Stuhl. Eine IAD kann somit ausschließlich dort auftreten, wo Urin und/oder Stuhl in direktem Kontakt mit der Haut waren. Die anatomisch bedingten Prädilektionsstellen sind entsprechend am Damm, um den After, am Gesäß und den Innenseiten der Oberschenkel. Klinisch kommt es zu scharf begrenzten Erythemen (Rötungen); die Epidermis ist initial noch intakt. Im Verlauf können Erosionen (oberflächliche Schürfwunden) und Ekzeme auftreten. Da oft auch ein ausgeprägter Juckreiz besteht, kommt es dadurch zu Kratzwunden und in der Folge zu Superinfektionen.
Intertriginöse Dermatitis
Als intertriginöse Dermatitis wird eine Gruppe von Krankheitsbildern bezeichnet, die durch Schweiß, Okklusion und Reibung in Körperbereichen entsteht, in denen Haut auf Haut liegt. Die Intertrigo ist eine irritative Kontaktdermatitis, die in Hautfalten am Körper auftritt. Die Prädilektionsstellen sind Achseln, Leisten, Analrinne, und submammär. Wenn Schweiß nicht verdunsten kann, entstehen Mazerationen (Aufquellung und Weißfärbung äußersten Hautschicht), Erytheme und teils auch Erosionen. Die betroffene Haut ist meist wie bei einem Abklatsch auf beiden Hautseiten vergleichbar konfiguriert. Oft besteht ein süßlicher Geruch.
Gramnegativer Fußinfekt
Als gramnegativer Fußinfekt wird eine sehr exsudative Entzündung der Haut bezeichnet, die in den Zehenzwischenräumen beginnt, sich auf den Vorfuß ausbreitet und sich oft beidseitig manifestiert. Männer sind deutlich häufiger als Frauen betroffen. Bei den Patienten besteht initial oft ein Fußpilz. Weitere begünstigende Faktoren sind u.a. das Tragen von nicht atmungsaktivem engem Schuhwerk, vermehrte Schwitzneigung, Zuckerkrankheit und arterielle Durchblutungsstörung. Typisch ist der süßlich faulige Geruch durch die Bakterien und insbesondere Pseudomonas-Keime.
Fazit für die Praxis
Als FAH werden heute durch WundDACH die Krankheitsbilder Inkontinenz-assoziierte Dermatitis (IAD), intertriginöse Dermatitis, inklusive Intertrigo, gramnegativer Fußinfekt und toxische Kontaktdermatitis, inklusive Wundumgebungsdermatitis und peristomale Dermatitis zusammengefasst. Die Behandlung dieser multiprofessionell relevanten Hautveränderungen gestalten sich im klinischen Alltag oft schwierig, da es viele relevante Differenzialdiagnosen gibt, die teils gemeinsam mit FAH auftreten können. Daher ist hier die Expertise und enge Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche sehr wichtig.
Mehr Details zur Diagnostik und Therapie von Flüssigkeits-assoziierte Hautschäden (FAH) lesen Sie im zweiten Teil.
Mehr zum Thema Hautschutz und Hautpflege erfahren Sie hier.
Autor:
Prof. Dr. med. Joachim Dissemond
Oberarzt, und u.a. ärztlicher Leiter der zertifizierten dermatologischen Wundambulanz.
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum Essen
Quellen:
Dissemond J, Assenheimer B, Gerber V, Hintner M, Jukic-Puntigam M, Kolbig N, Koller S, Kurz P, Läuchli S, Probst S, Protz K, Steiniger A, Strohal R, Traber J, Kottner J. Flüssigkeits-assoziierte Hautschäden (FAH): Eine Best-Practice Empfehlung von Wund-DACH. J Dtsch Dermatol Ges 2021; 19: 815-827.
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