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Hautprobleme bei Menschen mit chronischen Wunden – Ursachen, Symptome und Versorgungsoptionen

26.08.2022
Inaugenscheinnahme von Wunden ; Abb.1 Ausführliche Erfassung der Ausgangssituation ist wesentlich für die erfolgreiche Wundbehandlung (Zeichnung: Jan Hinnerk Timm, Hamburg)

Die Haut ist das größte Organ des menschlichen Körpers. Bei einem Gewicht von sieben bis zehn Kilogramm hat sie bei einem ausgewachsenen Menschen eine Gesamtfläche von bis zu zwei Quadratmetern. Aus dem Hautzustand sind Hinweise auf den Ernährungs- und Flüssigkeitszustand des Körpers abzulesen. Neben ihrer Rolle als Indikator für diverse Erkrankungen ist die Integrität der Haut selbst von entscheidender Bedeutung für unsere Gesundheit. Bereits oberflächliche Schädigungen gehen oft mit Juckreiz, Schmerzen und Spannungsgefühlen einher. Der Verlust der Hautintegrität stellt somit eine psychische und physische Belastung dar, die im Verlauf zu Einschränkungen in der Lebensqualität führt.

Die Haut im Fokus

Insbesondere in der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden ist es ein wichtiger Aspekt, die Hautintegrität in den Blick zu nehmen. Der Wundrand und die direkte Umgebung solcher Wunden sind beispielsweise einem erhöhten Exsudataufkommen ausgesetzt. Hinzu kommen Schweiß und, bei bestimmten Lokalisationen, Stuhl und Urin. Manche Grunderkrankungen, die zu chronischen Wunden führen, belasten auch die Hautintegrität. Hierzu gehören die periphere arterielle Durchblutungsstörung (pAVK), Diabetes mellitus oder die chronische venöse Insuffizienz (CVI).

Integraler Bestandteil der phasengerechten modernen Wundversorgung bei Menschen mit chronischen Wunden ist also eine angepasste Hautpflege sowie ein adäquater Hautschutz. Beides ist unabdingbar zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Hautintegrität und beugt Komplikationen vor. Im Fokus liegen dabei:

  • Koordiniertes Vorgehen aller an der Behandlung beteiligten Personen
  • Einheitliches Vorgehen bei Diagnostik, Therapie und Wundbehandlung
  • Vermeiden von Komplikationen
  • Förderung des Wundheilungsprozesses und der Lebensqualität

Der erste Eindruck zählt

Eine erfolgreiche Wundbehandlung beginnt mit der Erfassung der Ausgangssituation durch Beobachten, Tasten, Riechen und Zuhören. Hierbei wird insbesondere die Haut in den Blick genommen. Durch Inaugenscheinnahme können z. B. Hyperkeratosen, Einblutungen, Exsudation (Menge und Beschaffenheit), Nekrosen, Kratzspuren, Hautrisse, Hygienestatus, Kleidung, Hautbeschaffenheit, Schwellungen und Hautverfärbungen erfasst werden.

Geruch kann auf Hygienedefizite aber auch auf bestimmte Keime hindeuten. Zudem hat er gravierende Auswirkungen auf die Lebensqualität des Patienten und kann zu Körperbildstörungen führen. Per Palpation sind beispielsweise Hauttemperatur, Pulsstatus, Ödeme und Verhärtungen zu ermitteln. Im aufmerksamen Gespräch mit dem Betroffenen und ggf. seinen Angehörigen lassen sich Vorerfahrungen sowie vorhandenes Wissen zur Hautpflege sowie Selbstpflegemöglichkeiten und -defizite bzw. Unterstützungsbedarf erfassen.

Die ermittelten Beobachtungen werden ergänzt durch die Anamnese, die hinsichtlich des Hautzustands auf folgende Inhalte fokussiert:

  • (Grund)-Erkrankung: z. B. Durchblutungsstörung (arteriell, venös, Mischform), Diabetes mellitus, Autoimmunerkrankungen, Infektion, Dermatosen, genetische Defekte, Neoplasien
  • Krankheitsspezifische Maßnahmen: z. B. Fußpflege und -inspektion, Kompressionstherapie, Bewegungsübungen, orthopädische Schuhversorgung, Nebenwirkungen von Medikamenten
  • Vorversorgung: unerwünschte Auswirkungen z. B. von Verbandmitteln, Hautpflegeprodukten und Hilfsmitteln
  • Aktueller Versorgungs- und Hautstatus: Ab-/Einschnürungen, Hautläsionen oder Spannungsblasen durch alten Verband, Versorgung zu locker oder verrutscht, zu stark haftende Verbandmittel (insbesondere bei Alters-/Pergamenthaut), zu langes Wechselintervall, Exsudatmenge und -beschaffenheit und Exsudataufnahme/Retention durch die Wundauflage, vorliegender Geruch, Entzündungszeichen
  • Lebensgewohnheiten: z. B. Rauchen, Alkohol, Drogen, Mobilität
  • Ernährung: Speisen- und Getränkegewohnheiten (Mengen, Vorlieben, Zeiten)
  • Kleidungsgewohnheiten: z. B. Mieder, Korsetts, einschnürende Strumpfbündchen und/oder drückende Nähte, Materialbeschaffenheit (atmungsaktiv), zu kleine/enge Schuhe oder offene Schuhe (Sturzpotential)

Störungen der Hautintegrität im Zusammenhang mit der Grunderkrankung

Oft treten Störungen der Hautintegrität als Begleitsymptome der Grunderkrankung, z. B. chronische venöse Insuffizienz (CVI), periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) oder Diabetes mellitus, auf. Daraus ergeben sich spezielle Risiken für die Betroffenen.

Übersicht: Störungen der Hautintegrität als Begleitsymptom der Grunderkrankung

Diabetes mellitus - Hautbefunde und Symptome 

  • Trockene, juckende Haut, Anhidrose (Ekzema craquelé)
  • Abgeschwächte Immunkompetenz
  • Bei ca. 80 % der Betroffenen Pilzinfektionen (Tinea pedis)
  • Hyperkeratosen, zum Teil mit Einblutungen
  • Hühneraugen, Blasen an druckexponierten Stellen
  • Rhagaden (Einrisse der Haut)

Risiken: Aufgrund der gestörten Hautintegrität und hieraus folgender Hautverletzungen können vermehrt Erreger eindringen, und die Infektionsgefahr steigt!

Periphere arterielle Verschlusskrankheit - Hautbefunde und Symptome: 

  • Trockene, kühle, dünne/pergamentartige Haut mit blass-bläulicher (livider) Verfärbung
  • Rarefizierung der Hautanhangsgebilde, Nagelmykosen, verdickte Nägel und übermäßige Nagelbildung (Hyperonychie)
  • Aufgrund der Durchblutungsstörung schlechte Hautversorgung
Risiken: Durch die lokale Minderversorgung der Haut steigt bzw. besteht eine Infektionsgefahr. 
 


Chronische venöse Insuffizienz - Hautbefunde und Symptome:  

  • Trockene, schuppige, gespannte Haut
  • Stauungsekzem, Ödem(e), Dermatoliposklerose (Haut und Unterhaut bilden eine verhärtete, glänzende Einheit), Athrophie blanche (weiße narbige Hautreale, die bevorzugt im Innenknöchelbereich auftreten), Purpura jaune d’ocre (ockerfarbene Verfärbungen der Haut aufgrund wasserunlös-licher Eisen-Eiweiß-Verbindungen durch Hämosiderin-Einlagerungen), Hyperpigmentierungen, Besenreiser, Varizen, ggf. Entzündungszeichen
  • Bei längerem Bestehen: Juckreiz/Kratzspuren, Nässen, Mazeration
  • Kleinste Hautrisse bis zur Ausbildung eines Ulcus cruris venosum (UCV)
  • Hautreizung oder -austrocknung durch medizinische Kompressionsstrümpfe/-verbände

Risiken: Durch Risse und Ekzeme können Erreger eindringen, und die Infektionsgefahr steigt!

Abgrenzung zwischen Dekubitus und Inkontinenz-assoziierter Dermatitis (IAD)

Die IAD ist klar von einem Dekubitus abzugrenzen. Letzterer entsteht durch Druck und/oder Scherkräfte, typisch über den sogenannten Prädilektionsstellen, also den prominenten Körperstellen, z. B. Os sacrum, Fersen, Hüftknochen. Begünstigt wird die Entwicklung durch das fehlende Polster aus Fettgewebe und Muskelfleisch an diesen Regionen. Das Steißbein gehört nicht zu den Prädilektionsstellen, da es nicht prominent vorsteht, sondern in einer Vertiefung liegt.

Die IAD ist eine Entzündung der Haut, verursacht durch Kontakt mit Urin und/oder Stuhl (meist flüssig und hohe Ausscheidungsfrequenzen) und entspricht dermatologisch einer toxischen Kontaktdermatitis. Typische Lokalisationen sind perineal, perianal, die Gesäßregion und die Innenseiten der Oberschenkel.

Vergleich: Abgrenzung zwischen Dekubitus und IAD anhand bestimmter Kriterien

Dekubitus

Foto Wunde Dekubitus

Abb.2 – Wundbeispiel Dekubitus (Quelle: Kerstin Protz, Hamburg) 

  • Ausprägung: Wunde ist lokal begrenzt
  • Nekrose: Nekrose möglich
  • Ränder: ausgeprägte Ränder
  • Farbe: nicht wegdrückbare Rötung = Dekubitus Kategorie I

Inkontinenz Assoziierte Dermatitis (IAD)

Foto Wunde Inkontinenz Assoziierte Dermatitis (IAD)

Abb.3  – Wundbeispiel Inkontinenz Assoziierte Dermatitis (IAD) (Quelle: Kerstin Protz, Hamburg)

  • Ausprägung: diffuse, oberflächliche Hautveränderungen
  • Nekrose: keine Nekrose
  • Ränder: diffuse, ungleiche Ränder
  • Farbe: wegdrückbar oder nicht wegdrückbares Erythem

Störungen der Hautintegrität durch Wunde und therapeutische Maßnahmen

Die permanente Feuchtigkeit stark exsudierender Wunden kann zu Mazeration von Wundrand und -umgebung führen. Weitere Einflussfaktoren sind andere Körperflüssigkeiten, wie Schweiß, Urin, Stuhl, Trachealsekrete oder Speichel auf der Haut. Solche Schädigungen der Hautintegrität werden als Flüssigkeit-assoziierte Hautschäden (FAH) bezeichnet.

Auch Klebeflächen von Verbandmitteln, insbesondere (Poly-)Acrylatkleber, können beim Aufbringen und Ablösen Hautirritationen auslösen. Solche Schädigungen werden als Medical Adhesive-Related Skin Injuries (MARSI) bezeichnet.

Übersicht: Störungen der Hautintegrität durch Wundexsudat und therapeutische Maßnahmen

Wundexsudat - Hautbefunde und Symptome:

  • Mazeration von Wundrand/-umgebung: weißlich aufgeweichte Epidermis
  • Erosion: Verlust der Epidermis durch Einwirkung von Wundexsudat
  • Kumulativ toxisches Kontaktekzem: Juckreiz, Entzündung, Nässen, Rötung, Schuppung durch längeren oder wiederholten Kontakt mit Wundexsudat
Risiken: Vergrößerung der Wunde, Schmerzen, Infektiongefahr
 

Hautpflegeprodukte und Wundtherapeutika - Hautbefunde und Symptome:

 
  • Allergisches Kontaktekzem (Typ-IV-Allergie; abzugrenzen vom kumulativ toxischen Ekzem)
  • Kumulativ toxisches Ekzem (immer wiederkehrender Einfluss eines reizenden Stoffs, keine Allergie)
  • Hautbefunde: Papeln, scharf begrenzte Rötung, Schuppung, Nässen, Juckreiz
Risiken: Entzündung der Haut → kann Wundheilung stören und unangenehme Symptome wie Juckreiz und Schmerzen verursachen
 


Klebende Verbandmittel - Hautbefunde und Symptome:

 
  • Abziehen der Epidermis (epidermales Stripping)
  • Spannungsblase und -läsion
  • Skin Tears (Einrisse fragiler Haut)
  • Toxisches Kontaktekzem
  • Allergisches Kontaktekzem (Kontaktallergie)
  • Mazeration durch Feuchtigkeitsansammlung unterhalb der Klebefläche
  • Follikulitis durch Abreißen von Haaren
Risiken: Schmerzen, Infektionsgefahr, Vergrößerung der Wunde, Wundheilungsstörung
 

Ein toxisches Kontaktekzem ist keine Allergie und tritt nach vermehrtem Kontakt mit meist chemischen Reizstoffen (z. B. Klebstoffen von Verbandmitteln) auf. Es erscheint als klar abgegrenzte Fläche, beispielsweise eine Rötung, die meist deckungsgleich mit den verwendeten Verbandmitteln ist.

Das allergische Kontaktekzem (Kontaktallergie) ist hingegen eine überschießende Immunreaktion auf eine bestimmte Substanz, z. B. Komponenten des Trägermaterials von Verbandmitteln oder einer klebenden Beschichtung. Der betroffene Bereich zeigt sich gerötet, juckt, nässt, bildet Bläschen und kann über die Auflagefläche des Verbandmittels/ Pflasterstreifens hinausgehen. 

Einflüsse des Lebensalters auf die Hautintegrität

Verletzungsgefahr durch anhaftenden Wundverband

Abb. 4 Verletzungsgefahr der Haut durch anhaftende Verbandmittel (Zeichnung: Jan Hinnerk Timm, Hamburg)

Das Lebensalter hat Einfluss auf ein Verletzungsrisiko, begünstigt die Entstehung von Hautrissen und Mikroblutungen sowie die Verletzungsgefahr durch anhaftende Verbandmittel. Sowohl ältere, wie auch die noch nicht vollentwickelte Haut bei Menschen unter drei Jahren kann eine langsamere Wundheilung bedingen. Insbesondere ab dem 65. Lebensjahr steigt das Risiko von Hautschädigungen. 

Ein Anzeichen dafür ist die Zunahme der sogenannten Altersflecken durch Störungen im Melaninstoffwechsel. Die ältere Haut ist wasser- und fettarm, dünn, trocken, unelastisch, faltig und verletzungsanfällig sowie weniger widerstandsfähig gegenüber Druck und Zug. Zudem reduziert sich die Talg- und Schweißproduktion sowie die Fähigkeit zur Kollagenbildung. Aber auch die Haut von Neugeborenen und Kleinkindern, die noch nicht ihre Widerstandsfähigkeit voll entwickelt hat, unterliegt altersbedingten Risiken. Bis zum Alter von etwa drei Jahren ist die Haut sehr dünn und hat weniger stabilisierende Fibrillen in der dermoepidermalen Junktionszone.

Diagnostik

Grundlage der Diagnostik ist der klinische Befund (siehe oben), d. h. eine Einschätzung des aktuellen Erscheinungsbildes der Haut und welche Probleme sich daraus ergeben können. Darauf baut die weiterführende Diagnostik auf, auf deren Basis entsprechende Therapiemaßnahmen eingesetzt werden.

Wenn die Diagnostik Hinweise auf eine systemische bakterielle Infektion ergeben hat, sollte ein Abstrich (Levine-Technik) zur Antibiogrammbestimmung erfolgen (ggf. Absicherung durch eine Blutentnahme). Bei Verdacht auf eine Pilzinfektion gibt die Schuppendiagnostik Aufschluss. Hierbei werden Hautschuppen mit einem Spatel vorsichtig abgekratzt (ggf. auch ein Nagelstück abgeschnitten) und in einer Petrischale ins Labor gesendet. Eine eventuelle Kontaktallergie wird durch eine Epikutan-Testung ermittelt. Bei anhaltenden Hautproblemen ist eine dermatologische Untersuchung angeraten.

Therapieoptionen - Hautpflege bei Menschen mit chronischen Wunden

Eine angepasste Hautpflege sowie bei Bedarf der Einsatz eines Hautschutzes ergänzen die phasengerechte moderne Wundversorgung. Hautschutz und -pflege dienen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Hautschutzbarriere und der Vermeidung von Komplikationen.

Die Haut ist von einem dünnen Säureschutzmantel umgeben, der aus Schweiß, Fettsäuren, Cholesterin und Talg besteht, einen schwach sauren pH-Wert von ca. 5,5 hat und die Haut vor Bakterien schützt. Zum Erhalt dieses hauteigenen Hydrolipidmantels sind bei einer Reinigung Produkte zu bevorzugen, die frei von Zusätzen wie Duftstoffen sind. Solche Zusätze können den Hydrolipidmantel angreifen und sogar vollständig zerstören. Das gilt auch für alkalische Seifen. Deshalb sind pH-hautneutrale, leicht saure Syndets zu bevorzugen. Oft ist aber ein Waschen mit körperwarmem Wasser ohne Seifenzusätze völlig ausreichend.

Grundsätzlich sollte eine trockene Haut mit rückfettenden lipophilen Produkten auf Wasser-in-Öl-Basis (W/O) gepflegt werden. Solche Produkte sind hydrophob und mindern dadurch das Risiko von Mazerationen. Zudem spenden sie Feuchtigkeit und halten die Haut durch ihren feinen Fett-Wasser-Film weich und geschmeidig. Bei trockener Haut sollten keine hydrophilen Produkte auf der Basis von Öl-in-Wasser (O/W) Verwendung finden, da der sogenannte Dochteffekt beim Verdunsten des enthaltenen Wassers der Haut mehr Feuchtigkeit entzieht, als das Pflegeprodukt mitbringt. Solche oft eher flüssigen Zubereitungen kommen jedoch bei floriden, nässenden Ekzemen zum Einsatz.

Hautpflegeprodukte müssen nicht über arzneiliche Wirkstoffe verfügen, da es überwiegend auf die Eigenwirkung der Salbengrundlagen ankommt. Pflegende Stoffe, wie Dexpanthenol, pH-Puffer und Feuchthaltefaktoren, wie Urea, Glycerin, Sorbit, können jedoch hilfreich sein. Solche Feuchthaltefaktoren sind insbesondere bei trockener, juckender Haut in lipophilen Salben-Grundlagen (W/O) zu bevorzugen. So sind beispielsweise Basissalben mit 5 % Harnstoff gut zum Einsatz unterhalb einer Kompressionsversorgung geeignet. Zudem sind insbesondere bei Menschen mit CVI die lockeren Hautschuppen regelmäßig zu entfernen, da sie eine Eintrittspforte für Bakterien und somit ein Infektrisiko bedeuten.

Besonders bei Menschen mit chronischen Wunden kommt es oft zu Kontaktallergien. Diese bestehen meist gegenüber Salbenbestandteilen, Duftstoffen, Konservierungsstoffen und Emulgatoren, insbesondere Lanolin/Wollwachs. Bei solchen Patienten kommen daher zur Hautpflege dermatologisch geprüfte Präparate zum Einsatz, die nur über ein geringes Allergierisiko verfügen. Zu meiden sind Duft- und Konservierungsstoffe, Antibiotika und viele Pflanzentherapeutika. Bei der Entscheidung für ein Pflegeprodukt sind Vorlieben und Abneigungen des Betroffenen zu berücksichtigen, insbesondere da solche Produkte weder verordnungs- noch erstattungsfähig und vom Patienten selbst zu zahlen sind. Daher ist die Aufklärung der Patienten und ihrer Angehörigen maßgeblich für eine erfolgreiche Prävention von Hautschädigungen.

Bei der Anwendung ist generell zu beachten, dass Hautpflegeprodukte nicht in offene Wunden einzubringen sind. Zudem ist darauf zu verzichten, die Produkte regelrecht „einzumassieren“, denn der hierbei erzeugte Druck oder versehentlich entstehende Scherkräfte können Hautschädigungen hervorrufen. Auch die Anwendung von Puder kann Reibe- und Scherkräfte sowie Hautreizungen auslösen. Zudem trocknen sie die Haut aus. Angewendete Hautpflegeprodukte sollten vor Aufbringen der Verbandmittel zuvor gut eingezogen sein. Zudem ist zu beachten, dass beispielsweise Folienverbände und hydroaktive Verbandmittel nicht auf Salbenresten haften.

Exsudatmanagement

Bei hohen Exsudatmengen ist auf ein gutes Exsudatmangement zu achten. Neben der kausalen Behandlung der Wundursache, z. B. durch Kompressionstherapie oder Infektmanagement, werden hierfür Verbandmittel benötigt, die über ein hohes Saugvermögen und eine gute Retention verfügen, z. B. Superabsorber. Zudem sind die Verbandwechselintervalle entsprechend anzupassen und Wundrand und -umgebung durch transparente Hautschutzfilme zu schützen. Systemisch verabreichte Probiotika oder deren Lysate - aber auch in topischer Zubereitung - können sich stabilisierend auf die Hautintegrität auswirken

Risikoarme Wundversorgung bei Menschen mit chronischen Wunden

Verbandmittel sind grundsätzlich faltenfrei zu applizieren. Dadurch wird einem „Reißen“ der Produkte an der Haut vorgebeugt. An Gelenken sollten spannungsfrei applizierte dehnbare Verbandmittel zum Einsatz kommen, die die Bewegung des Körpers mitmachen, ohne an der Haut zu „ziehen“ und Spannungsschäden zu erzeugen. Es empfiehlt sich bei Versorgungen in der Sakralregion einen unterstützenden Hautschutz einzusetzen, da hier die Verbandmittel oft durch Ausscheidungen unterwandert werden oder sich aufrollen. Zur Vorbeugung können die Ränder dieser Produkte zusätzlich mit unsterilen semipermeablen Transparentfolienstreifen umklebt werden. Zudem ist bei stuhl-/urininkontinenten Patienten an Kontinenzförderung denken.

Um den Wundrand vor Mazerationen, z. B. beim Einsatz lokaler Unterdrucktherapie, zu schützen, kann der Wundrand mit Transparentfolie, einem dünnem Hydrokolloidverband oder Stomapaste/-modellierstreifen geschützt werden. Transparente Hautschutzfilme (z. B. auf Acrylat-Copolymer-Basis) sind gegenüber undurchsichtigen, verklebenden Pasten zu bevorzugen, u. a. um den Wundrand weiterhin beurteilen zu können. Diese haben je nach Produkt eine Barrierewirkung von 3 bis 4 Tagen und ermöglichen nicht nur den Gasaustausch, sondern verstärken auch die Haftung der Wundauflage.

Verbandmittel sind immer in Richtung des Haarwuchses entfernen. Folienverbände sollten vorsichtig durch stückweises Überdehnen parallel zur Haut abgezogen werden. Um Scherkräfte zu vermeiden, wird die Haut unterhalb der Folie durch Handauflegen gestützt. Vor Ablösen von stark anhaften Verbandmitteln erleichtert ein Anfeuchten der Produkte das atraumatische Entfernen.

Bei der Versorgung älterer Menschen mit sogenannter Pergamenthaut oder kortisongeschädigter Haut ist bei Verbandmitteln mit Polyacrylatklebern Vorsicht geboten. Aber auch Polyurethanschaumverbände ohne Kleberand können die Haut dieser Patienten gefährden, da sie möglicherweise durch die Saugwirkung ihrer feinen Poren mit dem Wundgrund verkleben. Daher ist ggf. der Einsatz von silikonbeschichteten Verbandmitteln oder unbeschichteten Hydrogelkompressen angeraten. Die Nutzung von elastischen Schlauchverbänden zur Fixierung der Wundauflagen kann klebende Fixierungen (Pflaster, etc.) – je nach Körperregion - ersetzen und so das Risiko von Hautschädigungen mindern. Hingegen ist zu beachten, dass bei Verwendung von elastischen Mullbinden oder Netzverbänden die Gefahr von Einschnürungen besteht.

Fazit

Ein Schutz der Hautintegrität und die Vermeidung von Schädigungen ist immer Bestandteil der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden. Es gibt zahlreiche Strategien, die Risiken, die mit Versorgung, Hautzustand und Grunderkrankung verbunden sind, gering zu halten und den Schutz von Wundrand und -umgebung zu gewährleisten. Ein Fokus liegt hierbei auf der Prävention von weiteren Schädigungen und dem Erhalt der Lebensqualität dieser Patienten.

 

Kerstin Protz

Autorin:
Kerstin Protz
Gesundheits- und Krankenpflegerin, Dozentin und Fachautorin, Vorstandsmitglied Wundzentrum Hamburg e. V. und European Wound Management Association (EWMA), Projektmanagerin Wundforschung am Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf 

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Quellen: 

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